· 

Erster Advent

Ich wünsche euch einen wundervollen ersten Advent. Heute gibt es zum zweiten Kapitel ein kleines Gewinnspiel für euch. Ihr könnt zwischen der rosafarbenen und hellblauen Tasse wählen. Schreibt also bitte in den Kommentar ob ihr lieber blau oder rosa haben möchtet. Sollten mehr als zwei Personen mitmachen, entscheidet wie immer das Los. Dieses Gewinnspiel werde ich auch auf Facebook teilen, denn ich befürchte, dass die Reichweite meiner Webseite nicht sehr groß ist.

Die Verlosung erfolgt am nächsten Samstag (08.12.)

Ich danke euch für die Kommentare und wünsche euch viel Spaß mit dem nächsten Teil der kleinen Geschichte, die, wie euch vielleicht aufgefallen ist, noch immer keinen Namen hat :))))

Genießt den Sonntag!

Liebe Grüße

Karo


2.

Sönke konnte sich nicht mehr genau daran erinnern, wie Pauli ihn überredete am ersten Advent Teil des lebendigen Krippenspiels auf dem Weihnachtsmarkt zu sein. Dunkel kamen ihm eine Menge Cocktails in den Sinn. Es war der Samstag nach der Sexparty gewesen, die alles verändert hatte. Er wollte sich so dringend betrinken und Pauli war die richtige Gesellschaft dafür. Sie hatte sich nämlich gerade von ihrem idiotischen Freund getrennt. So fiel es nicht auf, dass er einen ganz eigenen Grund zum Besaufen hatte. Sönke musste sich einfach nur anhören, wie schlecht die Welt im allgemeinen und Heteromänner im Besonderen waren. Vermutlich hatte er ihr nach dem zehnten Sex on the Beach sogar erzählt, dass er sich mit HIV angesteckt haben könnte. Sie hat lachend behauptet, dass er stets mehr Glück als Verstand hätte und ganz sicher nichts passiert sei. Allerdings hat sie ihn sogar an den Test erinnert und wollte auch sofort das Ergebnis wissen. Damals konnte Sönke ihr sagen, dass er negativ war, allerdings hat er den Rest verschwiegen. Zum Glück kannte sich Pauli mit dem Zeitfenster nicht aus, sonst wäre ihr sicherlich aufgefallen, dass dieses Ergebnis nichts über seinen Zustand ausgesagt hat. Danach hat sie sich zum Glück nicht noch einmal erkundigt. Er wollte sie nicht anlügen, aber zum ersten Mal hatte er wirklich angst davor, ob die Freundschaft die Wahrheit aushielt. Es gab so viele Horrorgeschichten. Eigentlich glaubte er fest daran, dass Pauli niemals so sein würde, aber ... Sönke brauchte noch ein bisschen Zeit. Zuerst musste er sich selbst an den Gedanken gewöhnen.
Irgendwann an diesem unheilvollen Abend war der Schmerz über den blöden Kerl, der ihr das Herz gebrochen hatte vergessen und Sönke hatte offenbar zugestimmt, an ihrer Seite den Joseph zu spielen.
Nun saß er neben Pauli, also neben Maria auf einem Strohballen. Vor ihnen im Stroh lag eine Puppe, die den Heiland darstellte. Rechts neben seiner besten Freundin standen die drei Könige. Sie waren nicht real, sondern Holzfiguren. Vermutlich hatten sich nicht genügend Verrückte gefunden, die bereit waren, sich den Arsch bei dieser Kälte abzufrieren. Zwei Schafe liefen herum. Sie hatten bereits versucht, das heilige Kind anzuknabbern, deshalb hatte Joseph, also Sönke sie zurück in einen kleinen Stall getrieben.
Seit mehr als drei Stunden verharrten sie in dieser Position, lächelten die Besucher des Weihnachtsmarktes an und ließen sich geduldig fotografieren.
Sönke schlotterte vor Kälte. Vermutlich war inzwischen sogar der Restalkohol, den er noch in sich hatte, eingefroren. Er war spät am Abend noch zur Spendenparty gegangen, hatte versucht, so lustig und gut gelaunt wie immer zu sein. Eine Vielzahl Shots halfen ihm, zu vergessen. Gegen das schlechte Gewissen warf er eine ziemlich große Summe Geld in diverse Spendenboxen. Mit dem Morgengrauen kam er nach Hause und schlief, bis Pauli ihn, wie verabredet, anrief.
Jetzt hockte er mit ihr in diesem dämlichen Krippenspiel. Ihm war so verdammt kalt, dass er seinen Körper kaum noch fühlen konnte. Gab es Forschungsergebnisse, wie sich das Virus bei extremer Kälte verhielt? Es wäre ja möglich, dass es da einen Ansatz gab. Dafür würde er liebend gern noch eine lange Weile im Frost verharren. Auch wenn seine Zehen vermutlich bereits lose in seinen Schuhen herumlagen. Wäre doch toll, wenn er der erste Patient wäre, der dank der Kälte geheilt wäre. Dafür waren die Zehen doch ein relativ geringes Opfer.
Der Frost hatte sich Lage für Lage durch seine Klamotten geschoben, sodass Sönke mittlerweile kaum noch das Klappern der Zähne unterdrücken konnte. Vermutlich bestand ihm eine weitere Erkältung direkt bevor. Oder eine richtig fette Grippe, die ihn ans Bett fesseln würde. Bett … seufzend stellte er sich vor, wie er unter der warmen Decke lag. Er konnte die Wärme regelrecht spüren, auch wenn sie nichts gegen die Kälte ausrichten konnte. Noch zwei Stunden, zwei verdammt lange Stunden.
„Ich hasse dich“, murmle Sönke in Richtung Pauli.
„Ich weiß“, antwortete sie. Das Zittern war deutlich in ihrer Stimme zu hören. Sogar ihre Lippen hatte diese ungesund aussehende blaue Farbe. „Ich hasse mich auch.“
„Wieso machen wir das hier eigentlich?“, fragte er genervt und verkroch sich tiefer in den Mantel, der kaum etwas gegen die Kälte ausrichten konnte und obendrein nach Mottenkugeln roch. Sönke wollte lieber nicht wissen, wer diese Klamotten bereits getragen hatte und redete sich ein, dass es kaum Bakterien oder Viren gab, die diesem Frost standhielten.
„Ich habe es versprochen und du hast es mir versprochen, auch wenn du so tust, als könntest du dich an nichts mehr erinnern.“
„Es gibt keinen Beweis dafür, dass ich zugestimmt habe. Ganz abgesehen davon ist das hier doch nur eine Farce. Es ist schließlich gar nicht mein Kind. Ich an Josephs Stelle wäre einfach gegangen, anstatt in der Kälte auszuharren.“
„Es war vermutlich nicht besonders kalt in Bethlehem. Ganz abgesehen davon, hast du offenbar keine Ahnung von der Liebe. Bevor du um einen Kerl kämpfst, ziehst du den Schwanz ein und verschwindest.“
„Das stimmt doch gar nicht“, antwortete er empört. „Bisher gab es einfach noch keinen Mann, bei dem sich der Aufwand gelohnt hätte. Du hast in dieser Hinsicht auch kein glückliches Händchen, denn sonst wären wir gar nicht in dieser Situation.“ Auch wenn er mit einem schiefen Grinsen die Worte entschärfte, Paulis Bemerkung über die Liebe sorgten für einen heftigen Schmerz in der Brust. Obwohl er sich immer wieder einredete, dass alles nicht so schlimm war und sich nichts in seinem Leben ändern würde, fragte er sich doch, ob er mit diesem Handicap überhaupt eine Chance auf Liebe haben würde.
In diesem Moment blieb eine asiatische Reisegruppe vor ihnen stehen. Sönke vertrieb die düsteren Gedanken und konzentrierte sich auf seine Rolle. Diverse Handys und Smartphones surrten um die Wette. Ein wahres Blitzlichtgewisser ging auf sie nieder und dann war da noch die Reihe von Selfisticks, die sich gegen den Himmel erhob. Paulis Lächeln wirkte nicht nur erfroren, sondern auch finster. Freude über die Geburt ihres Kindes sah irgendwie anders aus.
Nach einer unendlichen Ewigkeit schob sie die Gruppe weiter über den Weihnachtsmarkt. Erleichtert seufzte Sönke auf. Eine fette Gänsehaut bildete sich auf seinem Körper, sodass er sich schüttelte. Er bezweifelte, dass er es auch nur eine Minute länger aushielt.
„Ich melde mich jetzt augenblicklich krank“, knurrte er und schaute sich nach dem Veranstalter um. Natürlich entdeckte er niemanden. Vermutlich saßen sie gemütlich im Warmen und schlürften Glühwein.
„Du ziehst das mit mir durch. Es kann doch höchstens noch eine Stunde sein.“
„Pauline! In einer Stunde fallen mir die Eier ab.“
„Na und? Die Dinger werden ohnehin überbewertet. Ganz abgesehen davon, dass du ja selbst gesagt hast, dass das Kind nicht von dir ist.“
„Glaub ja nicht, dass ich Unterhalt bezahle.“ Er ging auf ihr Spiel ein und hoffte, dass niemand sie hören würde.
„Dann bekommst du auch kein Sorgerecht.“
„Für den Bengel? Den kannst du schön allein großziehen. Guck dir doch an, was er aus der Welt gemacht hat.“
„Hättest du dir mehr Mühe gegeben, wäre das Kind auch von dir“, behauptete sie gespielt zornig.
„Wären meine Eier nicht in der Kälte abgestorben, hätte ich auch ein Kind zeugen können, das tatsächlich in der Lage ist, die Welt zu retten“, behaupte ich grinsend.
Plötzlich begann jemand lautstark neben ihnen zu lachen. Erschrocken drehten sie sich in die Richtung, aus der nun auch Applaus kam. Sönke wünschte sich, dass sich der Boden öffnete, damit Pauli und er darin verschwinden konnten. Er hatte nicht eine Sekunde darüber nachgedacht, dass jemand ihr albernes Geplänkel belauschen könnte.
„Großartig, das bester Krippenspiel aller Zeiten“, behauptete ein Mann und schenkte Sönke ein atemberaubendes Lächeln.
„Tut uns leid“, erwiderte Pauli zerknirscht. „Wir haben wohl vergessen, wo wir uns befinden.“
„Nein, es war wundervoll“, antwortete der Fremde. Erneut spürte Sönke seinen Blick. Er schluckte schwer und fühlte sich ausgesprochen unwohl. „Jesus hätte sicherlich niemals gewollt, dass die Kirche in seinem Namen all diese abscheulichen Dinge tut und die Menschen mit unsinnigen Gesetzen und Einschränkungen quält.“
Sönke wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Seine Eltern hatten ihn nicht besonders gläubig erzogen. Sein Vater behauptete immer, dass ein Gott nicht nötig war, um Werte zu vermitteln und ein Kind zu einem anständigen Menschen zu erziehen. Für ihn war das hier nichts anders als eine Weihnachtsgeschichte. Sie gehörte zu den Feiertagen, so wie auch Lebkuchen, ein Weihnachtsbaum und natürlich der Weihnachtsmann. Sich als Joseph zu verkleiden war kein inneres Bedürfnis. Ganz im Gegenteil. Vermutlich hatte Pauli nicht erwähnt, dass ihr bester Freund schwul war.
„Jetzt tut es mir leid“, sagte der Mann und riss Sönke aus seinen Gedanken. „Ich wollte euch nicht verschrecken. Obendrein ist es auch ungehörig, jemanden zu belauschen. Ich konnte eurem Geplänkel jedoch nicht widerstehen. Es war das Highlight des Tages.“
„Das freut uns“, erwiderte Pauli mit einem schiefen Grinsen. In diesem Moment kam unsere Ablösung. Sönke hatte sich schon lange nicht mehr so dankbar gefühlt. Es fiel ihm schwer aufzustehen. Sein Hintern schien bereits auf dem Strohballen festgefroren zu sein. Überhaupt ließen sich seine Gliedmaßen kaum bewegen. Ungelenk stieg er über den kleinen Zaun, der die Zuschauer fernhielt.
„Also dann“, sagte er und wusste nicht so recht, wie er den Satz beenden sollte. „Viel Spaß noch und ... und ähm eine frohe Weihnachtszeit.“ Er hob die Hand, um ein Winken anzudeuten. Jede Bewegung schmerzte. Es würde mit Sicherheit ewig dauern, bis die verdammte Kälte aus seinem Körper verschwand.
„Moment“, rief der Mann und packte ihm am Arm. Sönke verzog schmerzhaft das Gesicht.
„Entschuldige, so fest wollte ich eigentlich nicht zugreifen.“
„Liegt sicherlich an der Kälte“, sagte er schlicht und rieb über die schmerzende Stelle.
„Kann ich dich auf einen Glühwein einladen?“, fragte der Fremde.
Sönke war sich nicht sicher, ob er ihn richtig verstand. Hatte sich die Kälte bereits auf sein Hörvermögen ausgewirkt? Es konnte doch unmöglich sein, dass ...
Er schaute den Mann an, der deutlich älter zu sein schien. Eine dicke Mütze bedeckte seinen Kopf und auch einen Teil seines Gesichts. Er trug einen kurzen Bart, in denen Sönke graue Strähnen erkannte. Dann nahmen ihn jedoch strahlend blaue Augen gefangen.
„Was?“, nuschelte er verwirrt. Ein heißes Kribbeln schien die Kälte schlagartig zu vertreiben.
„Möchtest du einen Glühwein mit mir trinken?“
Noch immer kam es Sönke nicht real vor. Trotzdem nickte er, was den Mann dazu veranlasste, erleichtert zu seufzen.
„Ich heiße David.“
„Sönke.“
„Freut mich, dich kennenzulernen.“ David streckte ihm die Hand entgegen. Instinktiv ergriff er sie und spürte eine wunderbare Wärme.
„Du bist ja eiskalt“, behauptete David. Er antwortete lediglich mit einem schiefen Grinsen und keuchte erschrocken, als er im nächsten Moment in starke Arme gezogen wurde und ein wärmender Mantel sich um ihn schloss. Ein unvergleichlicher Duft drang in seine Nase. Es war verrückt. Er ließ sich tatsächlich von einem fremden Mann mitten auf dem Weihnachtsmarkt umarmen. Für einen Moment wurde sein Herz ganz weit, aber dann erinnerte er sich daran, dass er ... Das war der denkbar schlechtes Zeitpunkt, außerdem viel zu intim. Erschrocken befreite sich Sönke, murmelte eine Entschuldigung und verschwand eilig ins Innere des Hauses, wo seine Klamotten und ein heißer Tee auf ihn warteten.

Kommentar schreiben

Kommentare: 10
  • #1

    Susanne Scholze (Sonntag, 02 Dezember 2018 10:00)

    Liebe Karo, ich wünsche dir ebenfalls einen schönen 1. Advent und würde gerne für die blaue Tasse in den Lostopf hüpfen :D

  • #2

    Selma (Sonntag, 02 Dezember 2018 11:51)

    Liebe Karo,

    Ich wünsche dir und deiner Familie einen wunderschönen 1. Advent.

    Ich würde für die blaue Tasse ins Töpfchen hüpfen �

    Vielen Dank für die Geschichte

    Liebe Grüße Selma

  • #3

    Kerstin (Sonntag, 02 Dezember 2018 12:55)

    Ich freue mich riesig das es auch dieses Jahr wieder eine Geschichte von dir gibt :)
    Wünsche Dir und deiner Familie einen schönen 1. Advent :)

  • #4

    Stephanie (Sonntag, 02 Dezember 2018 13:02)

    Einen schönen 1. Advent. Und danke für das Spiel. Gerne die rosa Tasse

  • #5

    Helen (Sonntag, 02 Dezember 2018 14:04)

    Liebe Karo,
    jedes Jahr freue ich mich auf die Kurzgeschichten von dir. Sie sind immer so süß und fluffig. Es wärmt einem das Herz und lässt einen mit einem Happy End zurück �

    Ich würde gern für die rosa Tasse in den Lodtopf hüpfen ♥️

    Liebe Grüße,
    Helen

  • #6

    martina grimpe (Sonntag, 02 Dezember 2018 14:54)

    liebe Karo
    einen schönen 1 Advent
    danke für das gewinnspiel und
    gern die blaue tasse
    flg
    martina

  • #7

    Piccolo (Sonntag, 02 Dezember 2018 17:55)

    Guten Abend Karo,

    das war ein ganz tolles zweites Kapitel. Sönke und Pauli haben mir richtig leid getan bei der Kälte Maria und Joseph spielen zu müssen. Ihr kleine Unterhaltung war echt toll. Ich bin schon sehr gespannt, was aus David und Sönke wird. Auf jeden Fall wird David kämpfen müssen.

    Ich verzichte darauf in den Lostopf zu hüpfen. Allen Teilnehmern wünsche ich viel Erfolg und Glück.

    LG Piccolo

  • #8

    Anne (Sonntag, 02 Dezember 2018 18:04)

    Liebe Karin, hab einen schönen ersten Advent!
    Ich würde gerne für die blaue Tasse ins Lostöpfchen hüpfen!

  • #9

    Jana P. (Sonntag, 02 Dezember 2018 20:50)

    Hallo Karo, wünsch Dir und deiner Familie ebenfalls einen schönen 1. Advent.����
    Ich wünsch mir so sehr, dass es Sönke gut geht, dass er nicht erfroren ist und bin gespannt, wer David wohl ist.
    Sollte ich Glück im Spiel haben wünsch ich mir die blaue Tasse� Liebe Grüße und bis bald

  • #10

    Brigitte Böhm (Dienstag, 04 Dezember 2018 10:57)

    Hallo Karo,

    ich hab's am Sonntag leider nicht geschafft, wenn es noch geht, hüpfe ich für die rosane Tasse in den Lostopf.

    Das Geplänkel der beiden hat mir auch sehr gut gefallen, im Namen des Glaubens wurde schon viel Mist gemacht... und da geben sich die Religionen nicht viel ...

    David wünsche ich jetzt schon viel Kraft und Ausdauer, ich befürchte die wird er brauchen :-)

    LG Brigitte