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2. Advent- Samstag

Und schon ist das zweite Adventswochenende da!

Ich hoffe, ihr habt es bei euch inzwischen weihnachtlich-gemütlich! In diesem Jahr habe ich mir wieder vorgenommen, so viele kitschige Weihnachtsfilme wie möglich zu schauen. Netflix und Prime sind sehr ergiebig, sodass ich schon ein paar angeguckt habe. Hach, so viel Romantik, Weihnachten, Schnee und natürlich Küsse unter dem Mistelzweig ... Ich mag das *lach*

Aber nun kommen wir erst einmal zur Auslosung! Mein Sohn ist als Weihnachtsglückself noch ein bisschen eingerostet, aber er hat es dann doch noch geschafft, mir eine Zahl zu nennen.

Ich danke euch für die rege Teilnahme und hoffe, ihr bleibt auch an den kommenden Wochenenden dabei.


Gewonnen hat:

Renke

Herzlichen Glückwunsch!

Bitte schick deine Adresse an nachricht[at]karostein.de


24 Türchen zur Liebe

1.

Müde und erschöpft schlurfe ich die letzten Meter zum Eingang meines Wohnblocks. Es ist arschkalt und dunkel, aber die meisten Fenster und Balkons sind festlich beleuchtet. An Weihnachtsdeko habe ich noch keinen Gedanken verschwendet, bin froh, dass ich meine Wohnung einigermaßen eingerichtet habe..
Den Start in ein neues Leben habe ich mir weniger anstrengend vorgestellt.
Im Sommer bin ich dreißig geworden. Dank dieser unheimlichen Zahl habe ich meine Existenz hinterfragt und Konsequenzen gezogen. Eine davon war, das Angebot meiner Firma anzunehmen und eine Stelle in einer Kleinstadt anzutreten.
Vor über zehn Jahren bin ich für die Ausbildung nach Berlin gegangen. Endlich frei leben und ein Teil der queeren Community sein. Ich war begeistert von den Möglichkeiten, habe einiges ausprobiert und herumexperimentiert. Nur Liebe habe ich nicht gefunden. Ich habe nicht explizit danach gesucht, aber wie viele Frösche muss man denn küssen, bevor ein Prinz sich offenbart? Aus dem Enthusiasmus wurde Frustration.  Ich bin übersättigt vom schnellen Sex, den Partys und Clubs und dem Alleinsein.
Der Neuanfang im letzten Monat war holprig, aber inzwischen verstehe ich mich mit meinen Arbeitskollegen gut. Ich bin immer noch allein, aber im Moment fühlt es sich nicht so überwältigend an.
Egal! Ich öffne den Briefkasten vor der Haustür.  
Verwundert fische ich eine bunte Weihnachtskarte heraus, an der eine kleine Figur klebt.
»Willkommen zu deinem persönlichen Adventskalender«, lese ich und runzle irritiert die Stirn. »Stell den Weihnachtself gut sichtbar auf ein Regal oder Fensterbrett und er wird wundersame Dinge für dich tun.«

 

2.

»Gibt es eine Adventskalenderaktion in der Stadt?«, frage ich Viola, meine Arbeitskollegin am nächsten Tag.
»Meinst du den lebendigen Kalender für die Kinder?«
»Nein, eher ... also ich hatte gestern eine Karte mit einer kleinen Figur im Briefkasten. Du auch?«
»Ähm, nein.« Sie sieht mich verwundert an. »Was stand denn auf der Karte?«
»Ich soll den Elf auf ein Regal stellen, damit wundersame Dinge geschehen.« Die Worte hören sich absurd an.
»Davon habe ich noch nie gehört.« Sie mustert mich nachdenklich. »Es klingt fast, als hättest du einen heimlichen Verehrer.«
»Ich bin nur im Büro oder in meiner Wohnung.«
»Dann ist es ein Arbeitskollege.« Aufmerksam schaut sie sich im Großraumbüro um.
»Hast du nicht gesagt, ich wäre der erste Schwule in der Abteilung?«
»Vielleicht ist er ungeoutet. Wir kriegen das schon raus.«
»Wir?«, frage ich zweifelnd und bereue, dass ich ihr davon erzählt habe. Wir haben uns jedoch von Anfang an gut verstanden.
»Vielleicht ist nachher wieder was im Briefkasten«, sinniert sie aufgeregt.
Ihre Worte begleiten mich auf dem Rückweg. Ich bin nervös, als ich ihn öffne und einen Briefumschlag entdecke. Neugierig öffne ich ihn. Ein Bogen Weihnachtspapier und ein kleiner Umschlag, versehen mit Briefmarke und an den Weihnachtsmann adressiert, befinden sich darin. Ein Post-it klebt darauf.
»Hast du schon deinen Wunschzettel geschrieben? Wenn nicht, solltest du dir heute Zeit dafür nehmen.«
Grummelnd steige ich die Treppe nach oben. Einen Wunschzettel habe ich seit meiner Kindheit nicht geschrieben. Es kommt mir lächerlich vor. Trotzdem nehme ich den Briefbogen und einen Stift, werfe dem Elf einen fragenden Blick zu und setze mich an den Tisch.

 

3.

Im Büro war heute die Hölle los und jetzt ist auch noch der Briefkasten leer. Nach nur zwei Tagen sollte ich nicht dermaßen enttäuscht sein. Aber trotzdem zwickt es unangenehm in meinem Bauch.
Heute Morgen habe ich brav den Brief an den Weihnachtsmann in den Postkasten geworfen. Zum Glück wird niemand erfahren, dass ich mir einen festen Freund gewünscht habe. Wenn schon Kitsch, dann richtig.
Ich gehe nach oben und bleibe erstaunt auf dem letzten Treppenabsatz stehen. Vor meiner Tür steht eine Figur. Es ist ein Stück Holz mit einem Styroporkopf und Flügeln aus weißem Papier. Ein Engel. Leider ohne Nachricht.
»Meine erste Weihnachtsdeko«, murmle ich seltsam berührt.
»Schreiben wir heute den Brief an den Weihnachtsmann?« Eine helle Kinderstimme schallt durch den Hausflur. Laut polternd kommt ein Mädchen die Treppe nach oben und bleibt erschrocken stehen, als sie mich sieht.
»Guten Tag.« Sie lächelt mich schüchtern an. Ich grüße zurück. Bisher habe ich kaum etwas von meinen Nachbarn mitbekommen.
»Das ist aber ein hübscher Engel.« Sie deutet auf den Holzscheit.
»Er gefällt mir auch«, erwidere ich schmunzelnd.
Ein Mann, der vermutlich ihr Vater ist, folgt ihr. Offenbar wohnen sie eine Etage über mir. Wir begrüßen uns ebenfalls. Instinktiv checke ich ihn ab und bedauere, dass er hetero ist. Er ist verdammt attraktiv.
»Haben wir auch die Adresse vom Weihnachtsmann?«, fragt die Kleine ihren Papa.
»Notfalls könnt ihr bei mir klingeln«, sage ich schmunzelnd und zwinkere ihr zu. »Ich habe meinen Brief nämlich schon geschrieben.«
Offenbar hat ein hölzerner Engel meine gute Laune zurückgebracht.

 

4.

»Das ist ein Kirschzweig zum heutigen Barbaratag. Wenn der Zweig zu Weihnachten blüht, bringt er Glück fürs neue Jahr.«
Ich lese den kleinen Zettel auf dem Weg in die Küche zum wiederholten Mal. Leider habe ich keinen grünen Daumen, deshalb bezweifle ich, dass ich ihn zum Blühen bringe.
Mein Smartphone klingelt.
»Du kannst wohl nicht genug von mir bekommen?«, frage ich belustigt.
»Ich bin einfach viel zu neugierig«, erwidert Viola kichernd. »Erzähl schon, was war im Briefkasten?«
»Nichts.«
»Vor der Tür?«
Ich schweige einen extra langen Moment, ehe ich vom Barbarazweig berichte.
»Das ist so romantisch«, flüstert sie und seufzt tief. »Ich glaube nicht, dass es jemand aus dem Büro ist. Derjenige muss schließlich einen Schlüssel für die Haustür haben. Okay, er könnte ihn sich heimlich nachgemacht haben. Hast du ihn irgendwann unbeaufsichtigt liegenlassen? Vielleicht hat er mit Knete einen Abdruck davon gemacht.«
»Viola«, unterbreche ich sie lachend. »Du guckst zu viele Krimis. Das ist eine Schließanlage, da kann man nicht einfach zum Schlüsseldienst gehen.«
»Hm, dann wohnt er im Haus ... oder ... »Sie macht eine dramatische Pause, während ich genervt die Augen verdrehe. »Jemand von der Wohnungsverwaltung. Die haben auf jeden Fall Schlüssel.«
»Ich habe den Vertrag und die Übergabe mit einer Frau gemacht, die vermutlich Ende fünfzig war.«
»Dann bleibt eigentlich nur noch ein Nachbar.«
»Ich kenne doch überhaupt niemanden«, murre ich genervt. »Wir sehen uns am Montag, Viola.«
Das Bild von Vater und Tochter schiebt sich in mein Gedächtnis. Offenbar hatten sie die Adresse selbst, was beinahe schade ist.
Ich stelle den Zweig in ein Wasserglas, denn ich habe keine Vase. Er kommt neben den Engel.

 

5.

Den halben Tag habe ich mich auf die Lauer gelegt und auf jedes Geräusch vor der Tür geachtet. Ich bin sogar schon zweimal zum Briefkasten gerannt. Abgesehen von Werbung war jedoch nichts weiter drin.
Inzwischen bin ich von mir selbst genervt. Grummelnd ziehe ich meine Laufsachen an und drehe eine Runde, um die überschüssige Energie loszuwerden. Es ist eiskalt und riecht nach Schnee. Im ersten Moment bereue ich meine Entscheidung, aber dann laufe ich los. Musik an, die Freiheit genießen und spüren, wie der Stress von mir abfällt.
Ich jogge durch einen Park, am Fluss entlang, umrunde einen Acker und komme eine Stunde später wieder zu Hause an. Der Briefkasten ist immer noch leer. Ich fühle mich jedoch genügend ausgepowert, um das seltsame Gefühl der Enttäuschung zu ignorieren. Ich begreife auch nicht, woher es überhaupt kommt.
Stattdessen freue ich mich auf eine heiße Dusche und einen gemütlichen Fernsehabend.
Vor der Wohnungstür lehnt ein Buch. Ein lustiges Rentier ist auf dem glitzernden Einband. Ich schlage die erste Seite auf.
»Für einen gemütlichen Abend.«
Mit einem breiten Grinsen betrete ich meine Wohnung. Ich entledige mich der feucht-kalten Klamotten und gehe mit dem Buch ins Wohnzimmer. Vor dem Weihnachtself bleibe ich stehen und mustere ihn eindringlich.
»Los, sag schon«, fahre ich ihn drohend an. »Für wen arbeitest du?«
Leider bekomme ich keine Antwort.
Nach einer schnellen und heißen Dusche mache ich es mir auf dem Sofa gemütlich und angle das Buch vom Tisch. Eine Weile betrachte ich gedankenverloren den Einband.
Bisher habe ich nicht an so etwas wie Weihnachtszauber geglaubt, aber gerade fühle ich mich, als würde ich einem dieser kitschigen Weihnachtsfilme mitspielen. Nur die Sache mit dem Happy End bezweifle ich.

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Kommentare: 5
  • #1

    Piccolo (Samstag, 05 Dezember 2020 16:12)

    Liebe Karo,

    mir gefällt die Geschichte und ich freue mich schon darauf nächsten Samstag mehr über den jungen Mann und seinen Wichtel zu erfahren. Wer weiß, vielleicht ist es ja wirklich der Vater von dem kleinen Mädchen.

    LG Piccolo

  • #2

    Jana S. (Sonntag, 06 Dezember 2020 10:23)

    Hach Karo,

    die Geschichte macht schon wieder richtig Spaß. Ich glaube ich hab schon eine gute Idee wer der heimliche Weihnachtswichtel ist. Aber der Spaß an der Geschichte ist ja auch zuzusehen wie unser Protagonist noch eine Weile rätselt und langsam sein Glück findetvon dem er noch nichts ahnt, welches wir aber schon vor Augen haben.

    Ich freue mich auf jeden Fall, dass du dir wieder eine kleine Weihnachtsgeschichte ausgedacht hast.

    LG Jana

  • #3

    Anna (Sonntag, 06 Dezember 2020 14:22)

    Liebe Karo,
    was für eine tolle Idee bin schon gespannt was sich alles in dem Adventskalender versteckt.
    Da gibt sich jemand viel Mühe.
    Wünsche dir einen schönen Nikolaustag.
    LG Anna

  • #4

    Renke (Dienstag, 08 Dezember 2020 10:44)

    Hallo Karo, die Geschichte nimmt mich mit, ich bin gespannt, wer dahinter steckt und was er noch so im Adventskalender entdeckt. Vielen Dank für die Auslosung, ich habe mich so sehr gefreut. Dir noch weitere tolle Tage und viele Weihnachtsfilme. ����
    Liebe Grüße Renke

  • #5

    Karin Bill (Samstag, 12 Dezember 2020 14:33)

    Hey Karo,
    Ich bin ja echt unkoordiniert.
    Heut beim lesen dachte ich, mir fehlt ein Stück.
    Da hab ich erst gemerkt, dass ich letzte Woche die ersten Türchen verpasst habe �
    Wunderschön �