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Vierter Advent - Sonntag

Der Kalender ist nun beinahe schon wieder vorbei. Heute öffnet sich das vorletzte Türchen, Heiligabend gibt es dann noch einen kleinen, besonderen "Rest".

Auch heute könnt ihr noch einmal ein Buch gewinnen. Diesmal lose ich bereits am Freitag (24.12. ) aus. 

Wie immer freue ich mich über einen Kommentar und noch mehr freue ich mich, wenn ihr nicht vergesst, dass ihr an meinen Gewinnspielen teilnehmt und eure Gewinne auch abholt ;) 

Ich wünsche euch auf jeden Fall viel Spaß mit dem zweiten Teil von Ronnys Geschichte und einen gemütlichen Sonntag!


Bevor wir jedoch mit Bratäpfeln und Punsch nach oben gehen können, geht die Eingangstür auf und zwei Männer kommen herein. Sie bringen eisige Kälte mit und die Erkenntnis, dass einer von beiden Bengt ist. Er zieht eine dunkelblaue Mütze vom Kopf, sodass seine Haare ganz verstrubbelt sind. Vermutlich lässt sich eine gewisse Ähnlichkeit mit mir erkennen. Ein unbehagliches Gefühl macht sich in mir breit. In gewisser Weise war ich «der andere». Der Typ, mit dem Kevin ihn betrogen hat und den er irgendwie mit in die Beziehung bringen wollte. Dabei kann ich mir eine Polybeziehung überhaupt nicht vorstellen. Es stört mich nicht, wenn andere Menschen so leben, aber ich ... ich möchte nur einen Menschen an meiner Seite. Ich schaue zu Sebastian, der mich ebenfalls ansieht.

«Ich hoffe, Sie hatten eine gute Anreise», sagt Moni und lächelt die beiden freundlich an. 

«Die Straßen waren auf jeden Fall frei», erwidert der andere Mann, der dann wohl Hendrik sein wird. 

«Es ist schon alles vorbereitet. Sie müssen nur noch das Anmeldeformular ausfüllen und unterschreiben. Frühstück gibt es von 7.30 Uhr bis 10 Uhr im Kaminzimmer.»

«Wie weit ist es bis zur Whiskybrennerei?», erkundigt sich der Typ, den ich für Bengt halte.

«Zu Fuß werden Sie ungefähr eine halbe Stunde unterwegs sein. Mit dem Auto sind es nur ein paar Minuten.»

Moni guckt zu uns rüber. Mein Herz rumpelt in der Brust. Ich würde mich am liebsten umdrehen und nach oben gehen. 

Es reicht doch, wenn wir uns bei dem Event offiziell kennenlernen. Leider hält Sebastian offenbar nichts von Flucht, denn er geht auf die beiden zu. 

«Herzlich Willkommen. Ich bin Sebastian, ein Freund von Michael und Kevin. Und das ist Ronny. Wir sind morgen auch dabei.»

«Freut mich, euch kennenzulernen. Ich bin Rik und das ist Bengt.» 

Für einen Moment trifft Bengts Blick meinen. Ich bilde mir ein, einen dunklen Schatten zu sehen und spüre, wie meine Wangen heiß werden. Er weiß natürlich auch, wer ich bin ...

«Wir sind zum ersten Mal hier», sagt Rik, während er den Zimmerschlüssel entgegennimmt. «Können wir heute Abend irgendwo gemütlich essen?»

«Es gibt einen wirklich hervorragenden Griechen und eine kleine urige Gaststätte, in der ihr auch Michaels Whisky und Obstbrände bekommen könnt. Im Nachbarort gibt es Hotelrestaurant, das auch nicht schlecht ist.»

«Aber wenn Sie nicht mehr rauswollen, dann können Sie auch mit uns essen», schlägt Moni prompt vor. «Es gibt Ropa Vieja. Ein kubanisches Nationalgericht, dass mein Mann Juan heute gekocht hat.»

«Das ist ... vielen Dank, aber wir ...»

«Sorry, meine Mutter hat immer gleich das Bedürfnis, alle in die Familie aufzunehmen», behauptet Sebastian mit einem breiten Lächeln. «Kommt mit, ich zeig euch euer Zimmer.»

«Sagen Sie einfach Bescheid, wenn Sie mitessen wollen.»

«Moni», sage ich leise und verschränke unwohl die Arme vor der Brust. «Es sind Kevins Freunde, nicht unsere.»

Offenbar hat Bengt meinen Kommentar gehört, denn er dreht sich um und mustert mich abfällig. Ich bekomme eine Gänsehaut. 

Als Sebastian hoch in unsere Wohnung kommt, schaue ich in erwartungsvoll an. Ich halte einen Becher Punsch in den Händen, denn plötzlich ist mir innerlich furchtbar kalt.

Die Bratäpfel stehen auf den Tisch. Sie verbreiten einen weihnachtlichen Duft nach Zimt und Marzipan. Mein Bauch fühlt sich jedoch an, als würde sich darin eine Ladung Wackersteine befinden, sodass ich mit Sicherheit keinen einzigen Bissen hinunterbekomme. Ich hätte nicht erwartet, dass Bengts Anblick solch ein seltsames Gefühl auslöst.

«Da sind sie also», nuschle ich und trinke einen Schluck von dem süßen, aber leider alkoholfreien Getränk.

«Sie wirken ziemlich sympathisch», behauptet Sebastian. Irritiert sehe ich ihn an.

«Abgesehen davon, dass Bengt mich mit seinen Blicken beinahe getötet hat.»

«Das hast du dir bestimmt nur eingebildet. Vermutlich ist ihm die Situation ein bisschen unangenehm.»

«Mir auch», gebe ich ehrlich zu. «Am besten bleibe ich morgen einfach zu Hause.»

«Warum?», fragt Sebastian und stellt sich direkt vor mich. Seufzend schaue ich zu ihm hoch und zucke mit den Schultern. Er legt eine Hand auf meine Wange und streichelt mit dem Daumen über meine Unterlippe.

«Mach dir keine Sorgen. Ihr müsst keine Freunde werden. Im Grunde müsst ihr nicht mal miteinander reden. Du willst nicht wirklich Kevins großen Moment versäumen, oder?»

«Nein, natürlich nicht. Es fühlt sich aber trotzdem seltsam an. Als wäre ich schuld daran, dass sie nicht mehr zusammen sind. Dabei passt er offensichtlich ebenso wenig zu Kevin wie ich.»

«Das stimmt», erwidert Sebastian lachend. «Ich kannte ihn ja vorher nicht, aber es ist schon irgendwie schräg mit euch dreien.»

«Damals war er ganz anders», sage ich leise und schüttle den Kopf. «Ich schätze, er war genau wie ich auf der Suche, aber er hat sich in eine Vorstellung von einem Leben verrannt, das überhaupt nicht zu ihm passt. Deshalb hat ihm wohl auch ein Mann nicht gereicht. Weder Bengt noch ich konnten ihm diesen Halt geben, den er braucht.»

«Vermutlich weil ihr selbst nach Halt gesucht habt», sinniert Sebastian. 

Ich nicke zögerlich und seufze schwer.

«Es fühlt sich trotzdem beschissen an.»

«Komm her», sagt er, geht einen Schritt zurück und streckt seinen Arm aus.

Ich presse die Lippen zusammen, zögere, stelle die Tasse auf den Tisch und ergreife seine Hand. Er zieht mich hoch und umarmt mich. Seine Nähe sorgt dafür, dass die Anspannung nachlässt. Ich dränge mein Gesicht gegen seinen Hals, atme den warmen Duft seiner Haut ein. Sie riecht dezent nach Tabakblättern und Rauch, nach Heimat.

Natürlich dauert es nicht lange, bis Sebastian zu tanzen beginnt. Er wiegt uns, dann summt er seinen Lieblingssong und schon tanzen wir Bachata. Einer der erotischsten Tänze der Welt, der augenblicklich meinen Puls in die Höhe treibt und für ein erregendes Kribbeln im Unterleib sorgt. 

«Tanzen hilft nicht immer», grummle ich, während er mich umdreht und mit seinen Schritt gegen meinen Hintern reibt.

«Aber es wird dich ablenken», raunt er mir ins Ohr.

Vermutlich steht der Wettergott nicht auf meiner Seite, denn ein heftiger Schneeschauer zieht über uns hinweg, sodass Kevin und Rik Monis Essenseinladung tatsächlich angenommen haben. Vielleicht hat auch Sebastian sie von Juans großartigen Kochkünsten überzeugt. 

Jedenfalls sitzen wir gemeinsam in der Küche am Tisch. Im Hintergrund läuft leise Weihnachtsmusik. Der wunderbare Duft des Rindfleischs hat jedoch nicht die gleiche Wirkung wie gewöhnlich, denn mein Magen und mein Hals sind wie zugeschnürt. Selbst der Tanz hat nur kurz dafür gesorgt, dass ich mich entspanne. 

Unglücklicherweise sitzt Bengt direkt neben mir. Ich habe mich schon lange nicht mehr dermaßen unwohl gefühlt und würde mich am liebsten in Luft auflösen. Im Grunde ist das Gefühl irrational, denn was immer auch passiert ist, es war nicht meine Schuld. Außerdem sieht es doch so aus, als wäre es für alle Beteiligten jetzt so viel besser.

Moni und Juan betreiben auf ihre herzliche Weise Smalltalk mit den Gästen. Ich höre kaum, was sie erzählen, denn das Blut rauscht in meinen Ohren.

«Kevin ist schon richtig aufgeregt, stimmst Ronny?» 

Meinen Namen zu hören, sorgt dafür, dass ich den Kopf hebe und nicke.

«Alles in Ordnung mit dir?», erkundigt sich Moni und schaut mich besorgt an. «Es war wohl doch zu kalt draußen. Ich koch dir gleich einen Kräutertee.»

«Nein, es ist ... alles in Ordnung», nuschle ich und überlege ernsthaft, ob ich die Vorlage nutze, um schleunigst nach oben zu verschwinden. 

Ich spüre, dass Bengt mich anschaut und drehe den Kopf in seine Richtung. 

«Unser erstes Zusammentreffen wäre bestimmt interessant gewesen», meint er leise. Ich bilde mir ein, dass seine Mundwinkel zucken. 

«Keine Ahnung», nuschle ich unsicher, denn ich versuche, nicht über die Vergangenheit nachzudenken.

«Ich wusste nicht, dass es dich gibt», sagt er. 

«Tut mir leid», erwidere ich und komme mir wirklich schrecklich vor. Ich will dieses Gespräch nicht führen. Schon gar nicht hier am Tisch. 

«Wollen wir nach dem Essen eine gute Zigarre rauchen?», fragt Juan. Ich hebe den Kopf, sehe ihn lächeln und bin ihm unglaublich dankbar für die Ablenkung. 

«Mein Sohn und ich drehen sie selbst. Es gibt passend zu Kevins Whiskyabfüllung eine spezielle Weihnachtsedition.»

«Ich habe noch nie geraucht», erwidert Bengt. 

Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, denn sofort erscheinen die Bilder meines kläglichen ersten Versuchs in meinem Kopf.

«Du kannst es gern versuchen», sagt Sebastian.

«Also ich habe schon ewig keine Zigarre mehr geraucht. Kevin und ich haben uns nach unserem Umzug nach Hamburg ein einziges Mal ein wirklich teures Exemplar gegönnt. Das ist allerdings schon ewig her. Quasi in einem anderen Leben.»

«Ihr habt zusammengewohnt?», frage ich perplex.

«Wir waren beste Freunde und na ja, irgendwie hoffen wir beide, dass wir, trotz allem wieder an diesen Punkt kommen.»

«Freundschaften sind wichtig», behauptet Juan. «So wie guter Whisky und eine gute Zigarre.» Er lacht dunkel.

Mir wird bewusst, dass es gar nicht um Bengt und mich geht. 

Die Erkenntnis löst einen Teil der Anspannung in mir. Plötzlich fühlt sich das Essen viel besser an und ich kann den Abend tatsächlich genießen.

Als Sebastian und ich spät in der Nacht ins Bett fallen, bin ich erleichtert. Das unangenehme Gefühl ist größtenteils verschwunden. Vermutlich hat der köstliche Whiskypunsch deutlich dazu beigetragen, denn er hat uns alle lockerer gemacht. Bengt und Rik sind ein tolles Paar. Ich mag die beiden. Offenbar war Bengt bei unserem ersten Zusammentreffen ebenso verunsichert wie ich. Es war also kein «Ich töte dich»-Blick, sondern schüchterne Neugier, die ich absolut nachvollziehen kann. 

«Mal schauen, wie lässig Kevin morgen mit unserer Anwesenheit umgeht», nuschle ich und drücke mein Gesicht gegen Sebastians Brust. Sein Nippel befindet sich so praktisch vor meinen Lippen, dass ich kurz daran sauge und ihm ein leises Stöhnen entlocke.

«Seine beiden Exfreunde in trauter Zweisamkeit zu sehen, kann den stärksten Mann umhauen», behauptet Sebastian mit einem fiesen Lachen.

«Wir sind nicht in trauter Zweisamkeit», grummle ich und lasse ihn meine Zähne spüren. «Ich glaube nicht, dass wir über dieses Wochenende hinaus, in Kontakt bleiben werden.»

«Das erwartet doch auch niemand», sagt er, legt eine Hand unter mein Kinn und bringt mich dazu, den Kopf zu heben. «Ist es das, was dich so verunsichert hat? Die beiden fahren am Sonntag wieder nach Hause. Vielleicht schaffen sie es tatsächlich, dass sie sich mit Kevin und Michael im neuen Jahr öfter treffen, aber das gilt nicht für uns. Wir leben unser Leben, so wie es sich für uns gut und richtig anfühlt. Die Vergangenheit lassen wir hinter uns und freuen uns darauf, was die Zukunft bringt.»

«Okay», flüstere ich hicksend, bevor Sebastian mich liebevoll küsst. Er schmeckt nach dem süßen Whiskypunsch und Zigarren. Ich habe nicht geraucht und Bengt hat nur einen Zug probiert, bevor er ein bisschen grünlich um die Nase wurde. 

Seufzend vertiefe ich den Kuss, heiße Sebastians Zunge in meinem Mund willkommen und spüre das Prickeln, das sich durch meinen Körper zieht. 

«Ich freue mich auf Weihnachten», raunt er mir zu. «Nur du und ich unter dem Weihnachtsbaum.»

Seine Worte beschwören Bilder vom letzten Jahr herauf, sodass es ganz heiß in meinem Bauch wird. Zuerst haben wir Geschenke ausgepackt und dann uns. Noch nie wurde ich unter einem Weihnachtsbaum geliebt. Die Stimmung war ganz besonders. Ich konnte gar nichts gegen die Tränen machen, denn ich war vollkommen überwältigt. Unsere Liebe ist für mich ein Wunder.

«Ich freue mich auf ganz viele Weihnachten mit dir», erwidere ich und genieße mein wild klopfendes Herz. «Und auf all die anderen Abenteuer, die wir gemeinsam erleben werden. Und unsere Reise nach Kuba im Februar ...»

«Jeder einzelne Tag mit dir ist besonders.» Sebastian drückt mich fest an sich. «Wir werden am Strand Salsa tanzen und zuschauen, wie die Sonne im Meer versinkt.»

«Aber zuerst bestaunen wir Kevins Whisky», sage ich kichernd. «Ich wette, er ist furchtbar aufgeregt.»

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Kommentare: 8
  • #1

    Claudia Clemens (Sonntag, 19 Dezember 2021 13:36)

    Ich wünsche dir einen schönen vierten Advent.��

  • #2

    Anja Hoffmann (Sonntag, 19 Dezember 2021 16:16)

    Schönen 4. Advent und nochmals vielen Dank für den liebevollen Adventskalender sowie deine tollen Gewinnspiele. �

    Bleibt alle schön gesund.

    LG Anja

  • #3

    Piccolo (Sonntag, 19 Dezember 2021 16:21)

    Hallo Karo,
    ich wünsche einen schönen 4.Advent.
    Ronny fühlt sich nicht wohl in Bengts Nähe. Bengt geht es nicht viel anders.
    Beide sind froh, wenn das Treffen vorbei ist.

    In den Lostopf möchte ich dieses mal bitte nicht. Ich habe ja schon mal gewonnen. Das Buch ist so schön.

    LG Piccolo

  • #4

    Karin Bill (Sonntag, 19 Dezember 2021 16:22)

    Ach, ich liebe diese Weihnachtsgeschichte ♥️
    Dankeschön dafür.

    Habt alle ein tolles Wochenende

  • #5

    Anna (Sonntag, 19 Dezember 2021 19:44)

    Auch ich wünsche dir und allen Lesern einen schönen 4. Advent.
    LG Anna

  • #6

    Sandra Stepan (Montag, 20 Dezember 2021 09:36)

    Wünsche dir eine schöne stressfreie Vorweihnachtswoche. Nochmals vielen Dank für die tolle Geschichte.
    LG Sandra

  • #7

    Jana P. (Montag, 20 Dezember 2021 18:01)

    So viele Unsicherheiten, aber Bengt und Ronny haben eben beide ungute Erinnerungen an den alten Kevin. Schön, dass sich das Unwohlsein fast schon aufgelöst hat.
    Danke für dieses schöne Kapitel und ein paar schöne Vorweihnachtstage ��

  • #8

    Laura (Donnerstag, 23 Dezember 2021 17:35)

    Ich wünsche dir frohe Festtage ❤�