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Vierte Advent - Sonntag

Nun brennt auch die letzte Kerze auf dem Adventskranz. Die letzten Tage vor Weihnachten brechen an und ich bin wie immer noch nicht vorbereitet. 

Dafür kommt nächste Woche mein Weihnachtsbuch "Von Pinguinen und Weihnachtsträumen" heraus. Schaut am Dienstag mal bei Amazon vorbei. Ich bemühe mich auch, den Print so schnell wie möglich fertig zu bekommen, aber Weihnachten steht schon näher vor der Tür, als ich gehofft hatte. Trotzdem freue ich mich und hoffe, ihr mögt die kleine, überaus kitschig-romantische Geschichte.

Aber jetzt wünsche ich euch einen weihnachtlich-gemütlichen Sonntag.

Natürlich habe ich auch heute ein kleines Gewinnspiel für euch. Fehlt euch vielleicht noch eine Tasse? Wie wäre es mit einer "Verliebt"-Tasse und ein paar Goodies?

Schreibt einen Kommentar unter diesen Beitrag.

Am 24. Dezember erfahrt ihr, wer gewonnen hat.

Dann gibt es natürlich auch die letzte Zusammenfassung der Adventskalendergeschichte. 

Viel Glück!

15.

Eine unbehagliche Stille entsteht. In meinem Kopf schwirren die Gedanken wild herum. Ich bin überfordert von seiner Anwesenheit.

«Ich … also ich geh besser. Danke für das Sofa und ähm überhaupt.» Marian dreht sich um, scheint aber nicht richtig zu wissen, wohin er gehen soll.

«Willst du mit mir frühstücken? Kaffee ist fertig. Ich habe noch Brötchen im Tiefkühlschrank.»

Offensichtlich unentschlossen dreht er sich zu mir zurück. Er betrachtet mich einen langen Augenblick, in dem mein Herz schneller zu schlagen beginnt.

«Kaffee wäre toll. Wenn es dir eine Umstände macht.»

«Nein, kein Problem.» Ich versuche gelassen zu bleiben, aber ich bin furchtbar nervös und unsicher. Idiotisch!

«Kann ich duschen?», fragt Marian und zupft an seinen Klamotten. Den dicken Mantel hat er bereits ausgezogen. Der Pullover ist jedoch auch weihnachtsmannrot.

«Natürlich.»

«Hast du zufällig irgendetwas zum Anziehen für mich. Ich muss aus den Scheißklamotten raus.»

«Bestimmt, ich lege nur die Brötchen in den Ofen und dann suche ich dir was zusammen.»

«Okay und danke», sagt er leise, geht ein paar Schritte und dreht sich dann grinsend um. «Wo ist denn das Bad?»

«Gleich nebenan», erwidere ich und deute auf eine der wenigen Türen. «Handtücher sind im Schrank. Ersatzzahnbürsten findest du dort auch. Nimm dir einfach, was du brauchst.»

Marian nickt lediglich und begibt sich ins Bad.

Ich bereite alles für ein gemeinsames Frühstück vor. Es fühlt sich merkwürdig an, zwei Tassen und Brettchen auf den Tisch zu stellen. Ich hatte noch nie Frühstücksbesuch. Ich weiß nicht mal, ob ich das Geschirr gegenüber platzieren soll, oder ob wir besser über Eck sitzen. Nebeneinander? Sitzt er dann lieber rechts oder links von mir? Ich probiere sämtliche Möglichkeiten aus und komme mir wie ein Trottel dabei vor. 

Meine Hände zittern vor Aufregung. Ich wünschte, ich könnte jemanden anrufen, um mich nach den üblichen Gepflogenheiten zu erkundigen. Leider gibt es niemanden, den ich damit behelligen kann. Ganz zu schweigen davon, dass ich gar nicht erklären möchte, wie ich in eine solche Situation gekommen bin. Ich kann Marks versaute Sprüche direkt hören, oder Holgers ernste Sicherheitstipps, weil Marian ein Spion der Konkurrenz sein könnte. 

«Es ist nur ein Frühstück», ermutige ich mich selbst. Wir befinden uns weder in einem Fünf-Sterne-Hotel, noch in einem Spionagethriller. 

Ich betrachte den Tisch und gehe ins Schlafzimmer, um Klamotten zu holen. Jogginghose, Shirt, Unterwäsche. Die Vorstellung, dass er gleich meine Shorts anzieht, finde ich äußerst befremdlich. 

 

16.

«Hier», rufe ich und reiße gedankenverloren die Badtür auf. Geschockt verharre ich, denn Marian steht komplett nackt vor mir. Ich will nicht auf seinen Unterleib starren, aber ich weiß gar nicht, wohin ich gucken soll, denn er ist halbhart und  ich ... ich schlucke schwer und versuche, das irre Kribbeln in meinem Bauch zu ignorieren.

«Klamotten», nuschle ich und halte sie ihm mit ausgestrecktem Arm entgegen. Marian greift danach und hält sie schützend vor seinen Körper.

«Danke», flüstert er und scheint ebenso erstarrt zu sein, wie ich es bin. 

Mit einem «Sorry» drehe ich mich schließlich um und verlasse fluchtartig den Raum. Mein Herz rast und meine Knie zittern. Ich stürme in die Küche, halte mich am Tresen fest und versuche, die Bilder aus meinem Kopf zu bekommen. 

Vielleicht hätte ich ihn nicht zum Frühstück einladen sollen. Verdammt, weshalb habe ich ihn überhaupt mit nach Hause genommen? 

«Der Kerl ist hetero», murmle ich wie ein Mantra und hole die Brötchen aus dem Ofen, bevor sie sich in Kohlen verwandeln. Sie duften köstlich, aber gerade fühlt sich mein Bauch an, als wäre er mit Steinen gefüllt. 

Dieses Gefühl wird auch nicht besser, als Marian kurze Zeit später aus dem Bad kommt. Seine dunklen Haare glänzen feucht. Die Jogginghose sitzt tief auf seinen Hüften. Das Shirt ist ein bisschen zu groß. Er wirkt unglaublich sexy, jetzt da er nicht mehr die alberne Verkleidung trägt und ... ich ihn nackt gesehen habe. Die Bilder bekomme ich nicht so schnell aus meinem Kopf.

Seine Augen leuchten blau, während er verlegen seine Unterlippe zwischen die Zähne zieht und mich unsicher anschaut.

«Setz dich doch, die Brötchen sind fertig. Wir können essen.»

«Okay, danke. Also für das Frühstück und die Klamotten und so ...»

«Kein Problem. Ich hoffe, es ist etwas dabei, was du magst. Wenn du willst, kannst du auch im Kühlschrank nachschauen, ob du etwas anderes findest.»

«Nein, das sieht alles großartig aus. Viel Hunger habe ich auch gar nicht. Hast du vielleicht Milch für den Kaffee?»

Ich deute lächelnd auf den Kühlschrank. Marian nickt und holt die Milch heraus.

Wir sitzen uns gegenüber … das schien mir irgendwie am besten zu sein. Wir können uns ansehen, aber es ist nicht zu nah, außer unsere Füße kollidieren unter dem Tisch. Allerdings habe ich keine Ahnung, worüber wir uns unterhalten sollen. Wir kennen uns schließlich überhaupt nicht.

 

17.

«Glaubst du, du kriegst die Sache mit deiner Freundin wieder hin?», frage ich, um irgendein Gespräch zu beginnen, denn die Stille ist unangenehm. Marian, der gerade sein Brötchen aufschneidet, hält mitten in der Bewegung inne. Er legt das Messer zur Seite und schaut mich fragend an.

«Was für eine Freundin?»

«Die Frau, wegen der du dich so hemmungslos betrunken hast», erkläre ich verwirrt.

«Unsinn, das war doch nicht  wegen einer Frau», erwidert er. Ein dunkler Schatten zieht über sein Gesicht.

«Na ja, du hast doch gestern so eine große Rede darüber gehalten, dass ich mich vor den Frauen hüten soll und so … Da dachte ich, du hast womöglich Ärger mit deiner Frau oder Freundin.»

«Oh Gott», nuschelt er und bedeckt für einen Moment sein Gesicht mit den Händen. Er schüttelt den Kopf und atmet hörbar. «So einen Scheiß habe ich gelabert? Verdammter Alkohol!» Er sieht mich niedergeschlagen an. «Tut mir leid.»

Offensichtlich will er nicht darüber reden, was gestern geschehen ist. Ich versuche, seine Entscheidung zu akzeptieren, obwohl ich durchaus neugierig auf eine Erklärung bin. Wir kennen uns schließlich nicht. Ich erzähle auch nicht gern Fremden private Geschichten. 

Innerlich schüttle ich den Kopf darüber, dass mich sein Schweigen derart betroffen macht. Ich beiße in eine Brötchenhälfte und wünschte, ich wäre besser beim Smalltalk.

«Du magst wohl Weihnachten nicht besonders?», fragt Marian nach einer Weile. 

«Was meinst du», erwidere ich irritiert, denn ich stecke immer noch in meinen eigenen Gedanken.

«Hier ist nirgendwo Deko zu sehen und im Wohnzimmer war auch kein Baum.»

«Du hast recht. Ich feiere Weihnachten nicht», antworte ich schlicht.

«Echt nicht? Warum? Schlechte Erfahrungen oder ist es dir zu kitschig? Dieser ganze Kommerz geht mir inzwischen auch auf die Nerven.»

«Nein, daran liegt es nicht. Weihnachten gehört nicht in mein Leben.»

«Echt nicht?» Marian schaut mich neugierig an. Ich habe jedoch keine Lust, meine Beweggründe darzulegen. 

Die meisten Leute reagieren nicht besonders positiv darauf, wenn ich erzähle, dass ich zu den Zeugen Jehovas gehört habe. Obendrein erwarten sie eine spektakuläre Geschichte, in der mindestens die Wörter Gehirnwäsche, Sekte und Flucht vorkommen sollten. Leider habe ich diesbezüglich nichts zu bieten. Einmal abgesehen von dem absoluten Kontaktverbot zu meinen Eltern und jedem anderen Mitglied der Gemeinde. Selbst wenn wir uns auf der Straße begegnen, werde ich weder gegrüßt, noch angesprochen. Für sie bin ich gestorben. Meine Seele ist nicht mehr zu retten. 

 

18.

«Vermutlich lasse ich Weihnachten im nächsten Jahr auch ausfallen.» Er lehnt sich nach hinten und trinkt einen Schluck von seinem Kaffee.

«Manche Dinge renken sich wieder ein», behaupte ich und schüttle über mich selbst den Kopf. 

«Einige Dinge nicht», erwidert Marian mit einem kellertiefen Seufzen.

«Vielleicht solltest du zu ihr gehen und mit ihr reden.» 

Seit wann ich spiele ich den Psychologen, wo ich überhaupt keine Ahnung von Beziehungen habe? Einmal abgesehen davon, dass Frauen nicht zu meiner Zielgruppe gehören.

«Und was sollte das bringen?», fragt er aufgebracht und verschränkt die Arme vor der Brust. «Was soll ich ihr sagen? Etwa: Gib mir meinen Freund wieder und such dir gefälligst einen anderen Kerl, denn der Ring an deinem Finger war eigentlich für mich bestimmt?»

Ich sehe ihn verwirrt an, höre die Worte und begreife ihre Bedeutung nicht. 

«Ähm…», ist alles, was ich herausbringe,

«Ja, sorry, ich bin schwul. Ich hoffe, du fällst jetzt nicht gleich vor Panik vom Stuhl, denn es besteht wirklich kein Grund zur Sorge. Ich werde nicht über dich herfallen.»

Ein Schade kann ich mir gerade noch verkneifen, stattdessen starre ich ihn sprachlos an.

«Das ist okay», antworte ich lahm. «Also, dass du schwul bist, die andere Sache ...» 

Ich beiße verlegen auf meine Unterlippe. Ein Fünkchen Hoffnung macht sich in mir breit, obwohl seine Worte nicht gerade schmeichelhaft waren. Davon abgesehen, hat ihn dieser Kerl offenbar gestern verlassen. Wollten sie echt im Weihnachtsmannkostüm heiraten? Seine Worte verwirren mich mehr, als dass sie den gestrigen Abend erklären.

«Weißt du, was das Schlimmste ist?», unterbricht er meine Gedanken. Ich schaue ihn an und schüttle automatisch verneinend den Kopf. 

«Ich bin so ein Versager … ein Loser und ein echter Vollidiot», flucht er und starrt mich an, als würde er eine Bestätigung von mir erwarten. 

«So schlimm wird es schon nicht sein», erwidere ich wenig eloquent. Er lacht bitter auf. 

«Doch. Es ist sogar noch viel schlimmer, denn nach einem Jahr sollte ich echt drüber weg sein.»

«Ein Jahr?», frage ich verständnislos.

«Genau vor einem Jahr sagt der Kerl mir, dass er sich jetzt doch für eine Frau entschieden hat. Er faselt was von Familie und Kindern und Hunden und einer glücklichen Zukunft in einer spießigen Reihenhaussiedlung. Der komplette Heteroscheiß. Mit mir zu ficken war nur eine Phase, die er jetzt endlich hinter sich lassen kann. Eine Phase!» Marian schnauft wütend.

 

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Kommentare: 5
  • #1

    Anja Hoffmann (Sonntag, 18 Dezember 2022 15:49)

    Hallo liebe Karo,

    Dir und allen anderen einen schönen 4. Advent. Ich brauche nur noch ein paar Kleinigkeiten, dann bin fertig, aber meine Mutter hat auch die Hauptarbeit. �

    Da man Tassen nie genug haben kann, bin ich gern beim Gewinnspiel dabei.

    Liebe Grüße

  • #2

    Piccolo (Sonntag, 18 Dezember 2022 15:58)

    Hallo Karo, ich wünsche dir einen schönen 4.Advent.
    Auf den Lostopf verzichte ich wieder dankend.
    Oh Mann, da hat Marian doch einiges mitgemacht.
    LG Piccolo

  • #3

    hauselfe petra (Sonntag, 18 Dezember 2022 16:32)

    liebe karo, ich danke dir für dieses gewinnspiel und wünsche dir und deiner familie einen wundertollen 4 advent :) lg pe

  • #4

    Diana (Sonntag, 18 Dezember 2022 16:54)

    Hallo,
    ich finde deine Weihnachtsgeschichte. Freue mich jeden Tag darauf und bin gespannt, wie es weitergeht. Ich wünsche dir schon einmal ruhige und besinnliche Weihnachten.

  • #5

    Mimi (Montag, 19 Dezember 2022 13:36)

    Liebe Karo,
    wie jedes Jahr verfolge ich deine Adventsgeschichte =)
    In den Lostopf hüpfe ich sehr gern mit rein, da ich die "Verliebt" Reihe sehr liebe!
    Hab noch entspannte Tage und ein frohes Fest!

    Mimi