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Heilig abend

Ich wünsche euch eine schöne, besinnliche, gemütliche Weihnachtszeit.

Frohe Feiertag!

Glückliche Stunden!

Eine liebevolle Auszeit.

Was immer ihr braucht!

Ich hoffe, ihr könnt die letzten Tage des Jahres genießen und Kraft schöpfen für das neue Jahr mit all den Herausforderungen, die auf uns zukommen. 

2022 war kein leichtes Jahr, mit vielen Ängsten, Sorgen und Unsicherheiten. Umso wichtiger ist es, kurz innezuhalten und sich auch die schönen oder außergewöhnlichen Momente in Erinnerung zu rufen. Kraft aus der Hoffnung zu schöpfen, die in der Weihnachtszeit liegt, selbst wenn ihr nicht gläubig bzw. religiös geprägt seid. 

Danke, dass ihr wieder hier auf meinem blog dabei ward.

Heute seid ihr im Vorteil, denn ihr bekommt den kompletten Rest der Story, die zwei Häppchen länger geworden ist. 

Ich mag die Vorweihnachtszeit mit euch wirklich sehr. Ich glaube, ich feiere hier mehr, als in der Realität *lach* Aber jetzt ist wieder Familienzeit und ich freue mich darauf. 

Am 31.12. gibt es sicherlich wieder eine kleine Zusammenfassung des Jahres, falls ihr noch einmal hier vorbeischauen wollt. 

Frohe Weihnachten!

Gewonnen hat: 

Mimi Guth

Herzlichen Glückwunsch!

(schick deine Adresse bitte an nachricht[at]karostein.de)


 19.

«Es war unser erstes gemeinsames Weihnachtfest. Ich wollte, dass es etwas ganz Besonderes wird. Ich habe die verdammte Wohnung dekoriert, ein aufwendiges Essen gekocht, einen scheißteuren Baum gekauft und er… er macht mit mir Schluss.» Marian trinkt seufzend einen Schluck Kaffee und presst die Lippen fest zusammen. 

Am liebsten würde ich um den Tisch herumgehen, um ihn in den Arm nehmen. Ich kann die Verzweiflung nachempfinden.

«Ich hatte nicht einmal eine Chance, Gegenargumente anzubringen oder uns zu verteidigen. Bevor ich die Bedeutung seiner Worte verstanden habe, war er weg.»

«Klingt nach einem echten Arschloch», stelle ich fest. «Dann hast du dich gestern wegen der Erinnerung so voll laufen lassen?»

«Nein, weil das Schicksal eine miese Bitch ist», flucht er. «Eigentlich ist die Sache durch. Mir wurde bewusst, dass die Liebe gar nicht so groß war. Es war wohl eher die Vorstellung von uns beiden, in die ich mich verliebt hatte. Er war … na ja mein … also der erste Mann … Du weißt schon …» 

Sein Gesicht nimmt einen bezaubernden Rotton an, was mein Herz dazu veranlasst, wild zu klopfen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ein Mann jemals solche Emotionen in mir ausgelöst hat. Scheiße! Was ist nur mit mir los? Hat mich diese Weihnachtssache jetzt auch irgendwie befallen? Der Geist der Weihnacht, von dem Holger immer wieder erzählt ...

«Ich bin schon lange nicht mehr in ihn verliebt, aber gestern … Ich hatte diesen Weihnachtsmannjob und ausgerechnet er muss dort sein. Es war wohl die Schwester von dieser Frau, mit der er zusammen ist. Ich hatte Mühe, die Sache vernünftig durchzuziehen und mich auf die Kinder zu konzentrieren. Als der Weihnachtsmann jedoch einen Schnaps auf das Wohl der frisch Verlobten mittrinken sollte … Ich weiß nicht, wie ich aus dem Haus gekommen bin, aber ich hatte eine Flasche Brandy in der einen und Sekt in der anderen Hand und dann ...»

«… und dann bist du mir vors Auto getorkelt.»

«Ich hoffe, ich habe dir nicht zu viele Umstände bereitet», flüstert er und senkt verlegen den Blick.

«Nein, eigentlich nicht. Ich war eher erschrocken und dann froh, dass dir nichts passiert ist. Allerdings war ich überfordert, als du nicht nach Hause wolltest. Ich nehme nicht gern fremde Menschen mit zu mir.»

«Dann will ich dich nicht länger belästigen und sollte gehen.»

 

20.

«Hast du heute noch was vor?» Noch ehe ich es begreife, haben die Worte bereits meinen Mund verlassen. Marian, der gerade von seinem Platz aufsteht, sieht mich überrascht an. Dann schüttelt er den Kopf. 

«Dann bleib doch noch hier.»

Ein kleines Lächeln huscht über sein Gesicht und verursacht ein aufregendes Prickeln auf der Haut. Ich habe keine Ahnung, was ich hier mache, aber ich möchte nicht, dass er jetzt geht.

«Okay.», sagt er schlicht und lässt sich wieder auf den Stuhl fallen. «Mein Kopf fühlt sich an, als wäre ein Lastwagen darüber gefahren.»

«Mein Auto ist kein LKW und ich bin ganz sicher nicht über deinen Kopf gefahren», erwidere ich schmunzelnd. 

«Bist du sicher?»

«Ich konnte vorhin nicht mal eine Schramme an deinem Körper entdecken», versichere ich und schäme mich, als mir meine Aussage bewusst wird. 

Marian grinst breit und wackelt mit den Augenbrauen. Ich reibe mir verlegen über den Nacken. «Bestimmt wirken die Tabletten bald.»

«Hast du heute gar nichts vor?», fragt er, ohne auf meine peinliche Bemerkung einzugehen.

«Ich wollte arbeiten. Entweder hier oder im Büro.»

«Am ersten Weihnachtstag? Was ist mit deiner Familie?»

«Hab doch gesagt, dass es nicht mein Fest ist. Meine Familie feiert Weihnachten auch nicht. Was ist mit deiner Familie?»

«Wir haben seit meinem Outing nur wenig Kontakt. Sie haben mich nicht rausgeschmissen oder so, aber sie akzeptieren mich auch nicht. Es ist anstrengend ...» Er seufzt. 

«Tut mir leid.» Erneut spüre ich dieses Bedürfnis, ihn zu umarmen. Offenbar ist er ähnlich allein wie ich. Das macht den Wunsch, mehr Zeit mit ihm zu verbringen, gleich logischer.

«Schon okay. Aber wenn ich dich von wichtiger Arbeit abhalte, kann ich gehen.»

«So akut ist es nicht.» Ich staune über mich selbst. Wenn meine Mitarbeiter diese Aussage gehört hätten, würden sie Bewusstseinsstörungen bei mir vermuten und sich ernsthaft Sorgen machen.

«Was machen wir nach dem Frühstück?», erkundigt sich Marian und schaut mich erwartungsvoll. 

Darüber habe ich nicht nachgedacht. Offensichtlich bin ich gerade zu gar keinem vernünftigen Gedanken fähig.

«Ich wollte gestern Abend einen Film gucken. Wir könnten ihn uns zusammen ansehen.»

Das klingt selbst in meinen Ohren nicht besonders spannend. Wir haben jedoch keine große Auswahl für Unternehmungen außerhalb des Hauses, die nicht weihnachtlich sind. Zumindest scheint Marian nicht abgeneigt zu sein, denn er lächelt und bringt meinen Herzrhythmus erneut durcheinander.

 

21.

Wir frühstücken zu Ende und machen es uns auf dem Sofa bequem. Ich schalte Netflix ein und zeige Marian, welchen Film ich ursprünglich gucken wollte. Jetzt bin ich jedoch bereit, ihm die Entscheidung zu überlassen. Er ist mit meiner Auswahl einverstanden, was mich freut, denn ich wollte den Thriller schon seit einer Ewigkeit anschauen. 

Es dauert nicht lange, bis mich die spannende Handlung gefangen nimmt. Deshalb erschrecke ich mich auch, als Marians Kopf plötzlich an meiner Schulter lehnt. Offenbar ist er weniger beeindruckt von dem Film, denn sein gleichmäßiger tiefer Atem verrät, dass er eingeschlafen ist.

Ich bin enttäuscht und verspüre zugleich einen erstaunlichen Beschützerinstinkt in mir aufwallen. Eine seltsame Nähe, ein vertrautes Gefühl, als wäre sein Platz schon immer neben mir.

Es ist nicht möglich, dass derart heftige Emotionen aus dem Nichts heraus entstehen. Bisher habe ich Liebe auf den ersten Blick für einen Mythos gehalten. Ein Blick oder ein paar Worte reichen niemals aus, um sich mit einem anderen Menschen verbunden zu fühlen. Erst recht nicht so eine absurde Situation, wie einen betrunkenen Weihnachtsmann anzufahren ...

Trotzdem kann ich nicht leugnen, dass da etwas ist, was mich zu all diesen wenig rationalen Entscheidungen gedrängt hat. Ich habe solange auf Liebe gewartet und jetzt kommt sie aus dem Nichts heraus? Das ist nicht real.

Ich versuche, mich wieder auf das Geschehen auf dem Bildschirm zu konzentrieren. Es ist mir ein Rätsel, wie jemand bei diesem Film einschlafen kann. 

Der Duft seiner frisch gewaschenen Haare steigt mir in die Nase. Obwohl es mein Shampoo ist, riecht es beim ihm betörend. Nervös bedecke ich meinen Unterleib mit einem Kissen. 

Ich beuge mein Gesicht nach vorn, um näher an dem berauschenden Duft zu gelangen. Genau in diesem Moment hebt Marian seinen Kopf und öffnet die Augen. 

Für einen langen Moment versinke ich in diesem wahnsinnigen Blau. Ich schlucke schwer, bin wie erstarrt.

«Willst du mich küssen?», fragt er mit dunkler Stimme, die für ein erregendes Ziehen in meinen Lenden sorgt.

«Ja», flüstere ich zittrig. 

Dann spüre ich seinen Mund auf meinen. Ein Seufzen entrinnt meiner Kehle. Ich erwidere den Druck und genieße den sanften Kuss. Seine Zunge fährt neckend die Konturen meiner Lippen nach, verlangt jedoch keinen Einlass. 

Ich lege meine Hand in seinen Nacken und streichle versonnen den Haaransatz. Marian berührt mit seinen Fingern meine Wange und verursacht prickelnde Schauer.

 

22.

Wir küssen uns eine süße Ewigkeit, kosten voneinander, genießen den Geschmack des anderen. Ich habe noch nie jemanden auf diese Weise geküsst. So innig und intensiv. Das Pochen in meinem Unterleib ignoriere ich, denn ich will diesen Moment nicht mit Geilheit zerstören. 

Als wir uns nach einer Weile voneinander lösen, sehen wir uns atemlos an. Marian lächelt schüchtern. Seine Lippen glänzen feucht. Ich möchte sie sofort wieder berühren, aber ich fühle mich erneut überfordert von der Nähe. 

Auf seinem Gesicht haben sich rote Flecke gebildet. Sein Kehlkopf hüpft nervös, was mich ein wenig beruhigt. Offenbar ist er ebenso überwältigt, wie ich es bin.

«Kann ich noch bleiben?», fragt er leise. 

«Ja», flüstere ich. Mein Herz macht vor Freude einen Sprung und nistet sich bei Marian ein. Ich sollte es festhalten, denn das kann nicht gutgehen.

«Glaubst du an Weihnachtszauber?», erkundigt er sich. Sucht er ebenfalls nach einer Erklärung für diese überwältigende Nähe?

«Nein», erwidere ich schmunzelnd. «Aber ich spüre deinen Zauber. Er verwirrt mich mehr, als du dir vorstellen kannst.»

«Immerhin war ich gestern ein Weihnachtsmann.»

«Betrunken und wütend», wende ich ein. «Daran war nur wenig Zauberhaftes. Vor allem, da ich keine Verbindung zu dieser Figur habe.»

«Jetzt bin ich trunken vor Glück», erwidert er. «Wirst du mir erklären, weshalb das so ist?»

«Vielleicht.»

Marian rutscht ein Stück nach unten und bettet seinen Kopf auf meine Brust. Ich lege meinen Arm um seine Schulter und drücke ihn fest an mich. Er seufzt zufrieden.

«Sehr gemütlich.» Eine Hand landet auf meinem Bauch. Trotz des Shirts spüre ich seine Wärme. Ich bin hart und habe keine Ahnung, wie ich diesen Umstand vor ihm verbergen kann. Dabei steht mir gar nicht der Sinn nach Sex. Es ist gerade einfach perfekt.

«Kann ich ein bisschen länger bleiben?», fragt er, ohne mich anzusehen.

«Ja», flüstere ich. «Solange du willst.»

«Das ist gut.» Er hebt den Kopf, haucht mir einen Kuss auf die Lippen und wendet sich dann wieder dem Bildschirm zu.

«Was habe ich verpasst?», fragt er und bringt mich zum Lachen.

«Quasi alles. Und dank dir habe ich jetzt auch nichts mehr von der spannenden Handlung mitbekommen.»

«Es tut mir nicht leid», behauptet er dreist. «Wir können ja noch mal von vorn anfangen.»

«Wenn du dann wieder einschläfst, kitzle ich dich wach.»

«Jetzt bin ich munter, versprochen.»

«Wir werden sehen», murmle ich und starte den Film erneut. 

 

23.

«Du feierst wirklich niemals Weihnachten?», fragt er mitten in einer dramatischen Szene. Offenbar findet er den Film nicht so nicht spannend wie das Weihnachtsthema.

«Nein, niemals», antworte ich knapp und halte den Film an.

«Auch nicht als Kind?» Verwundert hebt er den Kopf und mustert mich nachdenklich.

«Da schon gar nicht!», erwidere ich amüsiert. «Was macht Weihnachten für dich aus?»

«Oh, als Kind mochte ich ganz besonders die Gerüche, die bunten Lichter. Es war eine aufregende Zeit. Die Heimlichkeiten, die einen ganz kribbelig gemacht haben. Meine Mutter hat das Fest zelebriert. Es gab jedes Jahr das gleiche Essen, der Baum wurde immer auf die gleiche Weise dekoriert. Die Kerzen, Geschenke und das besondere Gefühl von Familie. Früher habe ich davon geträumt, es genau so zu machen, wie meine Eltern. Na ja, dann habe ich mich geoutet und damit hatte sich das mit der Familie erledigt. Der Zauber von Zusammengehörigkeit ist mit den Jahren verflogen und die Realität hat Einzug gehalten. Der Stress, der hinter all diesen Vorbereitungen steckt. Ich habe begriffen, dass meine Mutter dieser Zeit eigentlich nichts Magisches abgewinnen kann. Für sie ist es in erster Linie Stress und weniger Familienliebe.»

«Warum hat sie es dann überhaupt gemacht?»

«Gute Frage», sagt er lachend, «Wahrscheinlich, weil alle Weihnachten feiern.»

«Nicht alle … eigentlich gibt es sogar ziemlich viele Menschen auf der Welt, die dieses Fest aus verschiedenen Gründen nicht feiern», widerspreche ich. Ich versuche, die Gedanken an meine Familie zu verdrängen. Mein Vater war im Dezember immer besonders bemüht, uns die Gefahren der heidnischen Bräuche nahe zu bringen und uns Gottesehrfurcht einzutrichtern. Weihnachtsmärkte waren der Inbegriff des Verfalls, Verführungen des Teufels.

«Habe bisher noch niemanden kennengelernt. Selbst in meiner Lieblingsdönerbude steht ein Weihnachtsbaum.»

«Jetzt kennst du jemanden», antworte ich nervös, denn ich bin immer noch nicht bereit, die Gründe dahinter zu offenbaren.

«Ja», raunt Marian, richtet sich ein Stück auf, sodass wir auf Augenhöhe sind. «Ich bin interessiert an deinen Gründen, aber ich kann warten. Hast du auch das Gefühl, dass sich hier etwas Besonderes anbahnt?»

«Es ist unmöglich real, oder? Wir kennen kaum mehr als unsere Vornamen und trotzdem will ich nicht, dass du jemals wieder gehst.»

Wir sehen uns an. Er lächelt und rührt damit eine Stelle tief in mir. 

In seinen Augen spiegelt sich Erstaunen. Wir sind Fremde und doch durch irgendwas verbunden.

 

24.

Unsere Lippen finden sich erneut. Er schlingt seine Arme um meinen Hals, während ich ihn auf meinen Schoß ziehe und meine Hände unter das Shirt gleiten lasse. Seine Haut ist warm. Ich streichle die festen Muskeln und seufze erregt. 

Marian schmiegt sich näher an mich, sodass ich seine Härte an meinem Bauch spüre. Lust prickelt in meinen Lenden. Gleichzeitig erkenne ich, dass es keinen Grund zur Eile gibt. Wir haben Zeit, uns kennenzulernen. Ich möchte mehr davon ... verwirrt halte ich inne. 

«Alles in Ordnung?», erkundigt sich Marian und schaut mich besorgt an.

«Es ist so ein großes Gefühl», flüstere ich und befürchte, den Halt zu verlieren.  Ich war seit meinem Weggang bemüht, rational zu leben, mich nicht mehr auf irgendeine spirituelle Führung zu verlassen. Ich wollte mein Leben selbst in die Hand nehmen und nichts dem Zufall überlassen. Das hier lässt sich nicht erklären. Vermutlich würde mein Vater es für eine Prüfung des Teufels halten, aber dieses Gefühl von Wärme und Vertrauen kann nur von Gott kommen.

«Bis gestern hätte ich jeden ausgelacht, so unglaubwürdig ist diese Geschichte. Aber jetzt sitze ich auf deinen Schoß und habe Angst, dass du mich wegschickst. Weihnachtszauber, Schicksal, Zufall ... Du hast mich nicht nur gerettet, sondern mir eine Zuflucht gegeben.»

«Ich habe dich angefahren», erinnere ich ihn.

«Vielleicht war es Zeit, dass sich unsere Seelen finden. Sie brauchten vielleicht einen Crash.»

Im ersten Moment möchte ich widersprechen, aber dann nicke ich. 

«Vielleicht verfliegt dieses Gefühl nach Weihnachten wieder», flüstert Marian. «Oder am Ende des Films.»

«Wenn du so weitermachst, werden wir das Ende nie erreichen», erwidere ich. Das Kribbeln in meinem Bauch ist echt verrückt.

«Finde ich gut», flüstert er und verschließt meinen Mund erneut. Ich seufze zufrieden, denn ich möchte gar nichts anderes, als diesen Mann zu küssen und ihn festzuhalten. 

«Joseph und Marian», raunt er gegen meine Lippen und wiederholt unsere Namen kichernd. «Wir könnten ein Kuscheltier Jesus nennen, damit die Familie komplett ist. Oder einen Hund anschaffen.»

«Das wäre unerhört.» Ein unbehaglicher Schauer rinnt mir über den Rücken.  «Außerdem besitze ich keine Plüschtiere und bin auch kein Haustierfan.»

«Schade.» Marian hebt den Kopf und schaut sich um. «Du lebst sehr minimalistisch und clean.»

«Jetzt bist du ja da.» Die Zuversicht meiner Worte irritiert mich, aber ich habe den Eindruck, dass Marian eine Menge Chaos in mein Leben bringen wird.

 

25. 

Ein Jahr später:

Wir haben den Film immer noch nicht zu Ende geschaut. Es ist wie ein seltsames Ritual, aber auch die irrationale Angst, weil wir nicht wissen, was dann geschieht. 

Ich habe keine Zweifel, dass das Ende nicht das Ende für uns bedeutet, aber manchmal ist Marian sehr abergläubig und unsicher. Dabei gibt es keinen Grund an unseren Gefühlen zu zweifeln. Sie haben sich im Laufe der vergangenen Monate nicht nur bestätigt, sondern vertieft. Ich liebe ihn. Er ist der Mann, auf den ich gehofft hatte, derjenige, der mir zeigt, was Liebe bedeutet. Es ist dieses unumstößliche Vertrauen in uns, Geborgenheit, Nähe ... und natürlich auch großartiger Sex. 

Marian hat mein Leben durcheinandergebracht und es zugleich geordnet. Ein chaotisches Puzzle, das ein perfektes Bild ergibt.

«Musst du wirklich ins Büro?», fragt er gähnend und kuschelt sich an meine Seite. 

«Ja. Ich habe auch in diesem Jahr eine kleine Feier organisiert. Meine Mitarbeiter freuen sich darauf. Und ich mich auch.»

«Hm», brummt er und beginnt an meiner Brustwarze zu saugen. Ein Kribbeln rast durch meinen Körper und manifestiert sich an einer Stelle, die sofort Bereitschaft zeigt. 

«Später», grummle ich und schiebe ihn von mir weg, denn sonst komme ich nie aus dem Bett.

«Darf ich einen Baum aufstellen?»

«Nein.» Ich ziehe Unterwäsche an und stehe auf.

«Eine Lichterkette?»

«Wir haben schon die Sterne an der Terrassentür», erwidere ich kopfschüttelnd und schaue aus dem Fenster, wo ein dicker Schneemann mich begrüßt. Keine Ahnung, wie er mich zu all diesen Veränderungen überreden konnte. Ganz zu schweigen von den zwei Tassen mit den Wintermotiven, die jetzt im Schrank stehen. Plätzchen haben wir auch gebacken, damit wir es uns später gemütlich machen können. Eine verlockende Aussicht, die mich antreibt, schnell wieder nach Hause zu kommen.

«Du bist ein Grinch», mault Marian, obwohl er inzwischen meine Gründe kennt. Er hat viele Fragen gestellt, aber mir niemals das Gefühl gegeben, ein seltsamer Freak zu sein. Die Leere durch den Verlust meiner Eltern und der Gemeinschaft füllt er mit seiner Liebe.

«Nein, denn mein Herz ist schon riesig. Es schlägt jedoch nicht für Weihnachten, sondern für dich.»

«Mann», knurrt er und krabbelt ebenfalls aus dem Bett. Marian schlingt die Arme von hinten um meine Taille und haucht einen Kuss in meinen Nacken.

«Wenn du so etwas sagst, schmelze ich.»

«Nicht schmelzen», bitte ich und drehe mich in seinen Armen. «Küss mich lieber.» 

 

26.

Er tut es und noch ein bisschen mehr, sodass ich beinahe zu spät ins Büro komme. 

Meine Mitarbeiter und Freunde schauen mich erwartungsvoll an. Sie wissen, dass wir auch in diesem Jahr überaus erfolgreich waren. 

«Er sieht durchgefickt aus», flüstert Mark mit einem frechen Grinsen.

«So wie beinahe jeden Tag», erwidert Holger. 

Ich ignoriere die beiden, halte eine kurze Rede und verteile die Umschläge. Die Zahl auf den dekorativen Schecks ist deutlich größer als im vergangenen Jahr. Wir sind ein perfektes Team und in den letzten Monaten noch näher zusammengewachsen. Ich weiß nicht, ob das auch an Marian liegt, aber meine Mitarbeiter hegen keinen Zweifel daran und behaupten, es wäre der Zauber der Liebe. 

Es ist okay. Ich bin verliebt. Vielleicht beflügelt es mich. Vielleicht ist es auch das Gefühl, ein richtiges Zuhause zu haben. Eine Heimat ...

«In diesem Jahr arbeitest du nicht?», erkundigt sich Johann schmunzelnd. 

«Nein, ich fahre gleich nach Hause», antworte ich und spüre erneut diese Wärme in mir. 

«Es war schon ein verrückter Zufall.»

«Wäre ich nicht dabei, würde ich es nicht glauben», gebe ich zu und bringe alle zum Lachen.

Ich eröffne das Büffet, auf dem entgegen meiner Anweisung, weihnachtliche Motive zu finden sind. Es stört mich weniger als letztes Jahr. Ich habe mich auch von Marian zu einem Bummel über den Weihnachtsmarkt überreden lassen. Mein erster Glühwein, das erste Lebkuchenherz ... Ich kann mich immer noch nicht für das Fest begeistern. Tief verwurzelte Werte zu durchbrechen, ist nicht leicht. Ich hatte durchaus Spaß und Marians strahlende Augen zu sehen, war es allemal wert, gegen die Dämonen zu kämpfen, die mir den Schlaf geraubt haben. 

Nach zwei Stunden sind alle satt. Aufbruchsstimmung macht sich breit. Wir räumen auf. Ich nehme Arbeit mit nach Hause, obwohl ich bezweifle, dass mich Marian auch nur eine Minute vom Sofa lässt. 

Die üblichen Floskeln, Feiertagsgrüße, ein paar zweideutige Bemerkungen von Mark. 

Der Fahrstuhl bringt uns nach unten. Ich kann es kaum erwarten, nach Hause zu kommen.

Den riesigen festlich geschmückten Baum im Foyer ignoriere ich ... im Gegensatz zum Weihnachtsmann, der sich sexy auf meiner Motorhaube rekelt ...

 

Ende

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Karin Bill (Samstag, 24 Dezember 2022 08:39)

    Sooooo schön!
    Danke, dass du das hier mit uns geteilt hast!
    Habt alle ein schönes Weihnachtsfest und genießt hoffentlich ein paar schöne Tage miteinander ��♥️

  • #2

    Mimi (Samstag, 24 Dezember 2022 11:04)

    Oh Wow! ��

    Liebe Karo, vielen Dank, dass Du mir Jahr für Jahr die Adventszeit versüßt. Dir und Deinen Lieben ganz wunderbare Feiertage!
    Mimi

  • #3

    Anja Hoffmann (Samstag, 24 Dezember 2022 22:15)

    Zuerst einmal wünsche ich allen schöne Weihnachtsfeiertage und ein paar besinnliche Stunden.

    Und Dir liebe Karo möchte ich ganz herzlich für diese wunderschöne Geschichte danken und das Du uns mit deinem Adventskalender immer die Adventszeit versüßt. Fühl Dich ganz doll gedrückt.

    Alles Liebe

  • #4

    Piccolo (Sonntag, 25 Dezember 2022 10:08)

    Liebe Karo, ich wünsche frohe und besinnliche Weihnachten.
    Danke für deine Weihnachtsgeschichte.
    Der letzte Satz ist so genial!
    LG Piccolo